Gewebte Bänder von und bei Anneliese Bläse
Schürzenband, Kettrips
II. Vom Eintrag zum Schuss
oder
Was ist Weben?

Weben ist das Herstellen von textilen Flächen durch 2 Fadensysteme, die einander kreuzen, wobei das eine fest gespannt wird, während das andere beweglich ist.

Ach, ist das ein schöner Satz!
Aber weiter: Das fest gespannte System heißt Kette, das bewegliche Eintrag, Einschlag oder Schussfaden. Die Kette besteht gewöhnlich aus vielen Fäden, welche alle gleich lang geschärt, d. h. zugeschnitten sind. Mit einem Webgerät werden diese Fäden gleichzeitig festgehalten und straff gespannt, so dass sie paralell laufen. Hat man das Kettgarn auf diese Art überlistet, dass es kein Eigenleben mehr führt, kann man den beweglichen Schussfaden mit einem geeigneten Werkzeug quer zu den Kettfäden in die Webe einführen, über dem 1. Faden, unter dem 2., über dem 3., unter dem 4. und so weiter, bis man an der anderen Seite angekommen ist. Der zweite Durchgang beginnt dann unter dem 1., über dem 2. und so fort, ganz einfach, aber eine der wichtigsten Erfindungen in der Geschichte der Menschheit. Jedoch als das Weben aufkam, hatten die Menschen schon lange Zeit 1 drunter, 1 drüber.. geübt, beim Flechten von Matten und Körben.
1 drunter, 1 drüber.. , das ergibt die einfachste Webstruktur, die sogenannte Leinenbindung.

Wir haben früher mal gelernt, wie man Strümpfe stopft, 1 drüber, 1 drunter..... und 1 drunter, 1 drüber...., wer weiß eigentlich heute noch, wie das geht? Und wieso machte man eigentlich gewebte Stopfstellen an einem gestrickten Socken? Tja, weben kann die Menschheit schon seit mindestens 7000 Jahren, das Stricken wurde erst um 1430 erfunden. Meine Mutti hat mir aber gezeigt, dass man mit der Stopfnadel auch Strickmaschen machen kann, was viel besser aussieht, sich besser dem Fuß anlegt, aber eben auch viel länger dauert. So habe ich diese Kunst selten verwendet und heute brauche ich sie nicht mehr.

Als den Webern das ewige 1 drüber, 1 drunter.. zu langweilig wurde, kam jemand auf die Idee, die Kettfäden, die gleichzeitig "drüber" laufen sollen, alle zusammen auf einmal hoch zu heben. Die erste Vorrichtung dafür war der Litzenstab. Jeder 2. Kettfaden wurde durch eine kleine Garnschlinge, die Litze, geführt, und alle Litzen sauber nebeneinander auf einem Stab befestigt, der mindestens so lang war, wie die Breite des Webstückes. Hebt man den Litzenstab an, dann kommen alle unteren Fäden mit, zwischen den anderen Fäden hindurch nach oben. Der dreieckige Zwischenraum zwischen den beiden Fadenlagern, in welchen man das Schussgarn einträgt, wird "das Fach" genannt.
 
Der Eintrag war zuerst einfach ein Knäuel Garn, welches so geschickt gewickelt war, dass es sich leicht abspulte, ohne dabei auseinander zu fallen oder zu verknoten. Später erfand man verschiedene Geräte, auf die das Garn aufgewickelt werden konnte; zum Beispiel gebrauchte man einen Stab, so lang wie die Webarbeit breit war, mit zwei kleinen Astgabeln an den Enden. Bei jedem "Schuss" wickelte sich eine Länge des Stabes ab. So arbeiten die Nachkommen der Maya in Guatemala heute noch. Die höchste Entwicklung war schließlich das Weberschiffchen, in das kleine Spulen mit Garn eingesetzt werden. Die Kinder mußten die Spulen wickeln, damit die Erwachsenen schneller weben konnten.
 Um dem Gewebe Festigkeit zu verleihen, wurde der Eintrag mit den Händen oder einem hölzernen Schwert fest geschlagen, er wird zum Einschlag.        webgeraet aus susa
Eine frühe, einfache Webvorrichtung erkennt man auf
diesem Tontäfelchen aus Susa im Iran.
Es soll 5300 Jahre alt sein
                                                                                                                                    
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In warmen Lädern mit wenig Regen wurden
die Kettfäden einfach am Boden ausgespannt und blieben dort, bis das Webstück fertig war. Für feuchtere Gegenden entwickelte sich der Hochwebstuhl, ein Balkengestell, das schräg an die Wand gelehnt wurde. Er kam um 3000 v. Chr. zu uns in den Norden. Darüber berichte ich weiter unten ausführlicher.

Etwa um das Jahr 1000 n. Chr. kam dann der Flachwebstuhl auf, und hier wird schließlich der spezielle Kamm, auch Reet genannt, zum Anschlagen benutzt. Diese Kämme herzustellen, verlangte besondere Kenntnisse und Fähigkeiten. Gottfried Keller hat in seiner Novelle "Die 3 gerechten Kammmacher" diesem Berufstand ein Denkmal errichtet. Allerdings ging es dem Dichter so sehr um die politischen Ansichten der kleinen Leute, dass die Berufsbeschreibung der Kammmacher völlig unklar blieb. So glaubte ich lange, diese drei hätte einfach Kämme für die Haare gemacht. In Dänemark in Aarhus, im Museum Gamle Stan (Alte Stadt), fand ich dann ein Wohnhaus des Kammmachers und darin die Erklärung: Einen Webstuhl konnte jedermann bauen, früher bauten sich die einfachen Leute ja auch ihre Hütten selbst und wußten, wie man mit Balken umgeht, dass das Holz abgelagert sein muss und so weiter. Aber die Kämme mußte der Weber beim Spezialisten kaufen. Sie herzustellen war ein eigener Beruf.

Im Jahre 1733 erfand der englische Wollweber John Kay schließlich die sogenannte Schnellschütze, eine Vorrichtung, die dem Weber ermöglicht, das Schiffchen schneller und vor allem auch weiter durch das Webefach zu "schießen", als es mit der Hand möglich war. So wurde der Einschlag zum Schuss, und die Stoffe konnten viel breiter gewebt werden. In meiner Kinderzeit war die normale Stoffbreite, die man kaufen konnte, nur 90 cm, und die Mode hatte ihre Schnittmuster darauf abgestimmt.

Vom Hause von meines Mannes Urgroßvater erzählt man sich aus der Zeit, als die Schnellschütze eingeführt wurde, die Webstube sei zu klein gewesen, um mit dem neuen Patent zu arbeiten. So wurde einfach ein Loch in die Wand geschlagen und außen am Haus ein hölzerner Kasten davorgebaut, und dann ging es los: Rumms - rumms ... Die Schnellschütze schaffte das Vierfache an Ware, als die althergebrachte Methode. Sie war aber auch der Anfang der Industriealisierung mit all ihren Problemen.

Das ist ein trauriges Thema, aber wir wollen uns nun den alten Hochwebstuhl genauer ansehen, denn der ist eng mit der Bandweberei verbunden.

weiter: Der älteste Webstuhl in unserem Lande

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