Gewebte Bänder bei den Indianern
 
Alte indianische Weberin
        
Die alte Weberin

Wenn ich hinaufsteige
zum Haus der alten Weberin
betrachte ich voll Staunen
was ihrem Geist entspringt:
tausend verschiedene Muster nebeneinander,
und kein einziges Modell
kommt dem herrlich gewebten Tuche gleich,
mit dem sie die Gefährtin des
Treuen und Wahren schmücken wird.

Die Menschen bitten mich immer darum
ihnen Markennamen zu nennen,
ihnen genaue Modelle anzugeben.
Aber die Weberin
lässt sich nicht
in Raster pressen
und nicht in Schnittmuster.
Alle ihre Webereien sind Originale
und Wiederholungen gibt es nicht.
Ihr Einfallsreichtum
ist über alle Planung erhaben.
Ihre geschickten Hände
brauchen keine Vorlagen und Muster.
Es wird so, wie es wird,
aber sie, die ist, wird es weben.

Die Farben ihrer Webfäden sind klar:
Blut,
Schweiß,
Ausdauer,
Tränen,
Kampf,
Hoffnung.
Farben,
die keine Zeit verwaschen kann.
Die Kinder der Kinder
unserer Kinder
werden die Hand
der alten Weberin
wiedererkennen -
Vielleicht bekommt sie dann einen Namen.
Aber als Muster wird sie niemals
wiederholt werden.

Jeden Morgen sehe ich ihre geschickten Finger
die Fäden aussuchen,
einen nach dem anderen.
Ihr Webstuhl ist lautlos,
und die Menschen beachten sie nicht,
und trotzdem wird das Muster,
das Stunde um Stunde
ihrem Geist entspringt,
mit vielen Farben,
mit Figuren und Symbolen,
in ihren Fäden sichtbar,
dass niemand es je auswaschen
und vernichten kann.

Julia Esquivel

Bei den Indianern in Süd- und Mittelamerika ist die
Alte Weberin die Schöpferin der Welt.
Sie wird auch
mit der Spinne gleichgesetzt,
von der eine Legende aus
Guatemala erzählt,
dass sie die Menschen das Weben gelehrt habe.


Vor 2000 Jahren:
Die Mondgöttin der Maja war auch
die Schutzpatronin der Weberin
nen

Mondgöttin der Maja

 Schon seit 2000 Jahren weben die Frauen
der Maja in Guatemala und die der Inka in Peru,
aber auch ihre heutigen Nachkommen
 Bänder und Stoffe mit dem Rückengurt
Junge Frau aus Peru
                               Alte Frau aus Peru



Zwei Inka- Weberinnen
mit Rückengurt


Besuch aus Guatemala in Ostholstein

Emilia  und Antonia, zwei indianischen Weberinnen, besuchten im
Oktober 2001
Ostholstein auf  Veranlassung der Familie Albrecht
aus Lütjenburg
und wurden von Ort zu Ort herumgereicht, um ihre
Webkünste zu zeigen.
Die leider verstorbene Frau Albrecht und ihr
 Mann haben sich sehr stark für die Web-Kooperative im Dorf Zunil
in Guatemala eingesetzt. Man konnte die bunten Stoffe auch bei
ihnen kaufen. Leider weiß ich nicht, ob das Projekt noch arbeitet.
Unten ein Zeitungsfoto:
Emila, vorne, und Antonia hocken in der typischen Haltung am Boden,
das Webgerät ist an der Wand befestigt. Die Kette ist 3 m lang.
Das Gewebe wird etwa 40 cm breit und enthält 5oo Kettfäden
aus feiner Baumwolle, die vorher in Maisbier eingeweicht wurde,
um sie zum Weben haltbarer und schmiegsamer zu machen.
Im Hintergrund sieht man die Ehemänner der beiden
Weberinnen, mit Hut, und Zuschauer der Veranstaltung.

Emilia und Antonia aus Guatemala




Haarband aus Guatemala
Stück von einem Haarband der Frauen aus Guatemala, oben


Auch von den Chirokesen gibt es eine Spinnensage. Ich habe sie auf einer Postkarte gefunden, ganz kurz:

Am Anfang herrschte Dunkelheit.
Die Spinnenfrau spann ihr Netz bis hinauf zur Sonne, stieg daran empor, stahl das Licht und brachte es zu den Menschen.

Hanhepi Mani Dylan hat ein wunderschönes Bild von ihr gemalt:
Eine schöne Frau mit schwarzen Haaren und fröhlichen Augen, gehüllt in einen rotbraunen Mantel,
darüber trägt sie einen Schleier aus hell leuchtenden Spinnweben,
in ihren kräftigen Händen hält sie einen Topf aus verzierter schwarzer Keramik, aus dem das Licht hervorbricht.
Diese Karte kommt von Spirit Art, einem Verlag in USA.
Ich würde sie gerne hier zeigen, aber ich trau mich nicht. Ob ich mal hinschreibe, was eine Lizenz kostet?


Aus meinem Garten:
Wolfspinne
Der Mantel ist ja rotbraun, aber was die da mit sich schleppt, sieht eher aus, wie der Mond, jedenfalls ist es gesponnen - und gewebt.


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