Gewebte Bänder von und bei Anneliese Bläse

Hier bist Du eingeladen auf eine Reise rund um die Ostsee, um kurz mal zu gucken,
wer da wo Bänder gewebt hat oder heute noch webt. Mit der Zeit werde ich für  einzelne Stationen noch weitere Links installieren mit genaueren Informationen über Band, Land und Leute

Ostseefische
Bandweben rund um die Ostsee

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Gewebte Bänder in bunten Farben und Mustern waren rund um die Ostsee täglich im Gebrauch, bis vor knapp 200 Jahren durch die Industriealisierung, wie so vieles, auch diese kunstvolle Handarbeit der Frauen in Vergessenheit geriet. Nur an wenigen Orten, vorwiegend in Skandinavien und im Baltikum, haben sich Reste davon erhalten.

In deutschen Heimatmuseen liegt so manches liebevoll gestaltete WERKZEUG, doch die wenigsten Museumsmitarbeiter oder -Besucher wissen noch, wozu und wie es gebraucht wurde. Deshalb verschwinden diese kleinen Kostbarkeiten meistens in den Archiven und werden dort vergessen.

Die Völker im Ostseeraum hatten schon vor mehr als 1000 Jahren untereinander guteOstsee Kontakte, das läßt sich unter anderem deutlich ablesen an der Art, wie sie ihre Bänder webten. Die uralten Muster finden sich in allen Ländern um die Ostsee ebenso wieder, wie auf der ganzen Welt, aber die Art, wie sie gebildet werden durch die besondere Anordnung der Kettfäden beim Weben, die ist in anderen Gegenden kaum bekannt.

Bei meinen bescheidenen Versuchen, in den Ländern rund um die Ostsee Bandwebereien aufzuspüren, habe ich die meisten Muster in ESTLAND gefunden, weil ich dort gute Kontakte habe, und weil die Esten stolz sind, dass bei ihnen die Bandweberei noch ausgeübt wird. Material ist ungemein reichhaltig zu finden, denn den Esten, welche es fertig gebracht haben, unter 800 Jahren Fremdherrschaft ihre Eigenheit nicht zuverlieren, halfen ihre Volkstrachten wie ihre Lieder zur Bewahrung ihrer Identität. Und zur Tracht gehören nach wie vor die gewebten Gürtel für Frauen und Männer in fast allen Regionen des kleinen Landes. Ich selbst habe ein Heft mit über 80 verschiedenen Mustern aus Estland zusammengetragen, von Fotos und anderen Abbildungen ausgezählt und webgerecht aufgezeichnet, Heft 5 aus der Reihe  Band rund um die Ostsee.

Von LETTLANDweiß ich, dass es auch dort eine ungebrochene Tradition der Bandweberei mit unzähligen Mustern gibt, hatte aber bisher kaum Gelegenheit, sie kennen zu lernen. Zwei Bänder finden sich bei den Bildern. Der Verband ausgewenderter Letten in Kanada hat ein prachtvolles Buch über  die Gürtel und Bänder der Letten herausgegeben.  das ich mir einmal kurz ansehen durfte. Leider ist das Werk hier im Buchhandel nicht zu bekommen.  Wer hat Verbindung nach Kanada und kann mir weiterhelfen?

Von LITAUEN hat Hildegund Hergenhan  2 Hefte mit Mustern ausgezählt und gezeichnet, Heft 3 und 4 aus der Reihe Band rund um die Ostsee. Neben den allgemein beliebten haben sich dort noch einige ganz eigene Muster, sowie das Weben mit der dreifarbigen Kette erhalten, siehe dort. Außerdem kennt man in Litauen eine komplzierte Mischform zwischen Brettchenweberei und Leinengewebe: die gleichen Muster wie für den Kamm werden mit der Hand in ein Brettchenband eingelegt. 

In RUSSLAND, das heißt in der Ukraine, in Weißrussland und  dem nördlichen Russland bis hinauf zum Eismeer hat es eine reiche Bandwebtradition gegeben. Die Altgläubigen, eine Sekte, weloche entstanden ist, als Peter der Große "das Tor nach Westen öffnen" wollte und deshalb viele Verbote alter Sitten erließ, unter denen gerade die traditionsbewussten Staatsbürger zu leiden hatten. Während der Stalinaera sind die meisten Altgläubigen dann ausgewandert, und zwar vorwiegend durchs Hintertürchen, über China, nach Amerika. Dort leben sie heute noch in Oregon und in Brasilien, aber ihre spezielle Kultur ist trotzdem am absterben. Waren gewebte Gürtel früher unter anderem auch ein Identitätsmerkmal der einzenen Stämme und Großfamilien, so kaufen die Altgläubigen in Oregon ihre Gürtel jetzt bei denen in Brasilien, weil die jungen Leute nicht mehr weben lernen wollen, und sie achten nicht mehr darauf, die richtigen Muster zu bekommen. (Quelle Kate Hooker).
Das Staatliche Ethnographische Museum in St. Petersburg besitzt über 100 000 Gegenstände aus dem Siedlungsgebiet der Osteuropäischen Slawen, darunter ein großer Prozentsatz von Textilien. Ich habe ein Büchlein kaufen können, in dem der Leiter des Museums, Oleg Lysenko, das Ergebnis seiner Forschungen zusammenfassend darstellt und versuche zur Zeit, das "russische Englisch" ind Deutsche zu übertragen, damit ich dann klar darüber berichten kann. Das kann noch eine Weile dauern, denn die Russin, welche die Übersetzung ins Englische besorgt hat, hat sich nicht die Mühe gemacht, englische Fachwörter aufzuspüren, sondern einfach die russischen Fachausdrücke in unserer Schrift hingeschrieben. Wenn ich fertig bin, kann ich sicher auch auf russsisch weben. Dann gibt es einen neuen Artikel mit ganz neuen Gesichtspunkten.

In OSTPREUSSEN war die Bandweberei noch bis ins 20. Jahrhundert lebendig, ja es scheint sich neben der ursprünglich ländlichen Volkskunst auch eine mehr städtisch geprägte Richtung entwickelt zu haben, die wohl mit der Jugendbewegung verknüpft war. Die berühmte Webschule in Lyck hat mit Sicherheit diese Entwicklung auch gefördert. In keinem Land gab es so viele verschiedene Muster mit nur 9 Musterfäden, wie bei den Ostpreussen mit ihren Jostenbändern, den schmalen Gürteln zur Mädchentracht, (Juosta = litauisch Gürtel). Im Unterschied zu den ursprünglich überall fast immer rot auf weissem Grund gewebten traditionellen Mustern fanden sich Jostenbänder in einer Fülle verschiedener Farbzusammenstellungen. Offenbar war es auch üblich, Musterbänder zu weben, im gleichen Sinne wie die altbekannten Stickmustertücher. Einige davon, z. B. das Memellandband und das Agnes-Miegel-Band, auf dem sich über 60verschiedene Muster finden, sind mit dem Treck in den Westen gekommen. Sie wurden zur Grundlage des weiter unten erwähnten Kurses in Travemünde.

Ob die Polen selbst Bänder gewebt haben, ist mir bis jetzt nicht klar. An den Tanztrachen, mit denen sie heute auftreten, habe ich keine bemerkt. Zu oft wurde ihr Reich zerteilt und von den großen Nachbarn verschoben. Im Polen waren die Kaschuben zuhause, über welche man in den Museen die offizielle Auskunft erhält, dass die dort ausgestellten reich verzierten Webekämme von ihnen stammen. Auch ein Stück vom alten KURLAND gehört jetzt zu Polen, dort fand ich Muster aus der Zeit um 1902.
Es heißt zwar, Pommerland ist abgebrannt, die gute alte Zeit verweht, vergessen aber POMMERN hatte mit Sicherheit eine alte Tradition der Bandweberei. Sie ist auch in der Literatur belegt und geht mindestens bis in die Schwedenzeit zurück. Hier an der Küste habe die Frauen der Fischer als erste die NETZNADEL ihrer Männer als Webeschiffchen benutzt, und damit die Bandweberei technisch einen großen Schritt vorwärts gebracht.
Hildegund Hergenhan, geboren in Hinterpommern, aufgewachsen in Schleswig-Holstein, hat die Spuren der Bänder in ihrer früheren Heimat jahrelang gründlich erforscht und in Ihrem Buch »Upschöttels, Band in Pommern« anschaulich beschrieben. Auch über Vorpommern hat Hildegund Hergenhan in ihrem Buch berichtet. Die MÖNCHGUTER ROSE hat sie (wieder)entdeckt und beschrieben.  Viel von der alten Bandwebkunst ist von Flüchtlingen mit dem großen Treck nach dem 2. Weltkrieg nach Holstein und Westdeutschland mitgebracht worden, und im Pommernzentrum in Travemünde läuft jedes Jahr ein Kurs im Kammbandweben, ursprünglich gehalten von Sigrid Albinus, der Witwe des Leiters des Ostpreußenmuseums in Lüneburg, die sich sehr um die Erhaltung und Dokumentation der alten Bänder verdient gemacht hat. Seit sie aus Altersgründen aufgehört hat, übernahm Hildegund Hergenhan den Unterricht.

Von Bandweberei in Mecklenburg ist mir leider gar nichts bekannt.

Auch bei uns in SCHLESWIG-HOLSTEIN hier ist es schwierig, noch etwas zu finden. Im Museum in Flensburg soll es wunderschöne WEBEKÄMME geben, siehe auch oben, (Zeile 5, unter Werkzeug) - die Abbildung stammt aus einem alten Buch. Leider waren sie nie ausgestellt, weder als ich vor etwa 10 Jahren dort war, noch als meine Kinder im vergangenen Jahr danach suchten. Ich selbst besitze einen über 200 Jahre alten Kamm aus Munkbrarup in Angeln, ein schlichtes Arbeitsgerät. Im Kreimuseum Plön befindet sich ein sehr ähnliches Modell, welches aus Wankendorf stammt, Alter unbekannt. Ich besitze ein auch Bild von einem mit Kerbschnitt verzierten Webekamm aus Neuenkirchen in NORDFRIESLAND aus dem 18. Jahrhundert, der sich im Landesmuseum in Schleswig befinden soll. Das Alter all dieser Kämme deutet darauf hin, dass die Bandwebekunst bereits im 19. Jahrhundert in Vergessenheit geriet. Von überlieferten Bändern konnte ich bisher nichts in Erfahrung bringen. Sie waren ja meist Gebrauchsgegenstände und sind zerschlissen.

Die Bandweberei muss jedoch zumindest in Deutschland, Frankreich und Spanien im 15. und 16. Jahrhundert ganz allgemein zur Ausbildung von jungen Damen gehobener Kreise gehört haben, denn um 1509 hat Lukas Cranach in Wittenberg als Hofmaler des Kurfürsten von Sachsen die Jungfrau MARIA als Bandweberin gemalt auf einem 70 cm hohen Tafelbild unter die Titel »Die Erziehung der Maria«. In alten Stundenbüchern und auf Kirchenfenstern sind viele Bänder webende Marien zu finden, die meisten arbeiten zwar mit Brettchen, aber einige weben auch Kettrips auf verschiedenen kleinen Webgeräten. Den Rückengurt kennt Maria allerdings offenbar nicht, der ist etwas für die kleinen Leute. Maria wurde zu jener Zeit, im 15. und 16. Jahrhundert, immer als etwas Besonderes dargestellt und somit automatisch als Dame der gehobeneren Gesellschaft.

Mit Sicherheit habe ich feststellen können, dass die Muster des Ostseeraumes weiter im Süden Deutschlands nicht gewebt wurden. Man kannte offenbar den Webekamm, hat aber nur schmale Bänder in schlichtem Kettrips gewebt.

Schauen wir nach DÄNEMARK, ist es fast genauso schwierig, etwas zu finden. Dort lebt zwar Lise Knudzen-Ræder, eine ausgezeichnete Brettchenweberin, die sich um die archäologischen Funde im Grab des Keltenfürsten von Hochdorf verdient gemacht hat, indem sie die wunderschönen Bänder von 550 vor Christus nachwebte. Aber Kettripsbänder habe ich bisher noch in keinem Heimatmuseum gefunden, nur spärlich etwas Werkzeug. In den Freilichtmuseen sitzen die Brettchenweberinnen. Aber die Dänen haben auch mit dem Kamm gewebt, früher mal, genau wie unsere Vorfahren. Wer kann mir da weiterhelfen?

In NORWEGEN (rund um die Ostsee - den Oslofjord zählen wir noch dazu...) bin ich fündig geworden, im Nationalmuseum in Oslo und im Museum der EIDSBORGKIRKAN, einer Stabkirche in Telemark. Es gibt dort ein sehr aufschlussreiches Heftchen aus den frühen 1960er Jahren zu kaufen, in welchem ganz viele verschiedene Methoden, Bänder herzustellen beschrieben sind, die früher in dieser Gegend alle bekannt waren. Es ist im Telemarksdialekt geschrieben und deshalb sehr spannend zu entziffern, auch wenn man Norwegisch lesen kann. Mein Versuch, in Telemark Bandweberinnen persönlich aufzusuchen, kam zu spät. Unser Freund Olav hatte  mir 1992 zwar versprochen, bei unserem nächsten Besuch wollte er mit mir zu den Bandweberinnen fahren. Aber durch verschiedene Umstände kam ich erst nach erst 7 Jahre später wieder nach Norwegen. Die alten Frauen waren inzwischen gestorben. Zum Trost machte er mich mit THORKJELL SVEITSEN bekannt, dem Brettchenweber im Hedal.

Auch in SCHWEDEN hatte ich Erfolg, zunächst im Nordiska Museum in Stockholm. Dort gibt es eine große Trachtenausstellung und ich träume noch heute davon, einige Tage dort zuzubringen um die Muster der vielen ausgestellten Bänder aufzuzeichnen. Dort bekamen wir auch den Tipp, der unsere nächste Reise bestimmte: DALARNA ist die wichtigste Gegend in Schweden für heute noch lebendiges »Krusband vävning«. Wir besuchten dort 7 kleine Museen in all den kleinen Städtchen rund um den Siljansee, und alle waren verschieden und hatten verschiedene Bänder ausgestellt, alte und neu gewebte. Ein Musterheft »DALARNA« habe ich in Arbeit.
Von Hildegund Hergenhan gibt es ein Muster
heft Schonen/Schweden, vorwiegend mit Mustern der königlichen Gewänder im Museum von Lund, Heft 1 aus der Reihe Band rund um die Ostsee. 

Interessant für Schweden und Norwegen finde ich das KONFIRMANDENBAND, das wir in Norwegen und in Schweden fanden. Die Kirche hat das Anliegen aufgegriffen, die heutige Jugend mit der uralten Bandwebekunst etwas vertraut zu machen. Die meisten werden ja in der Tracht konfirmiert. Nun beginnen die Mädchen schon bei der Anmeldung zum Konfirmandenunterricht damit, sich das Schürzenband für ihre Tracht selbst zu weben. Es ist ein sehr einfaches Muster, gelb auf rot. Die Länge ist nicht vorgegeben, so wurde ein Wettbewerb daraus, wer in dem einen Jahr bis zur Konfirmation das längste Band schafft. Manche haben großen Ehrgeiz und sind fleißig, anderen ist es egal, hörten wir.

In FINNLAND kamen wir ganz zufällig genau an dem Tag ins Handwerkermuseum in Turku, als die Bandweberin im Hause war. Wir  hatten ein nettes, langes Gespräch miteinander. Wir tauschten Muster aus und ich erfuhr, dass man sich bemüht, aus dem Wenigen, was überliefert ist, das Beste zu machen und eifrig weiter forscht. Außerdem war ich im Saaresseuri Museum, das hübsch auf einer Insel vor Helsinki liegt. Dort traf ich einige fleißige Mädchen, die sich abmühten, für Anfänger viel zu komplizierte überlieferte Muster auf Bänder zu weben. Ich hoffe, sie haben nicht den Mut verloren und es inzwischen besser in den Griff bekommen.

Ein Volk im Norden haben wir noch nicht besucht, die SAMI, die man früher Lappen (= Lumpenleute) nannte. In Schleswig, im Landesmuseum Schloss Gottorf ist ihnen eine Austellung gewidmet, wo sich neben dem schönen Werkzeug auch Bänder mit einfachen Mustern für die Fellschuhe und komplizierte dreiteilige Gürtel finden.
Auch in Stockholm im
Nordiska Museum findet man in der Sami-Abteilung fein gearbeitete Webkämme aus Rengeweih und verschiedene Bänder. Ich glaube, die Leute die den Ausdruck Lappen prägten, haben nur von weitem hingeschaut. Wie kunstvoll gearbeitet sind doch die verschiedenen Trachten der Sami! Sogar die Kordel, mit der die Frau ihren bestickten Brustlatz befestigt, ist liebevoll handgeflochten.
Besonders freut mich, dass die Samestiftelse offenbar junge Forscherinnen in verschiedene Regionen Lapplands geschickt hat, um die
in jeder Region besondere Art des Webens und die Bänder samt Mustern und Fachausdrücken zu dokumentieren. Die Ergebnisse wurden als kleine, feine Bücher herausgegeben, die man kaufen kann. Im Jahr 2004 bin ich ganz zufällig dreimal auf solche Bücher aufmerksam gemacht worden, die alle völlig verschieden sind und die große Vielfalt der samischen Kultur deutlich machen.

Nicht auf der Karte oben sind folgende Länder, in denen ich auch Nachweise für Bandweberei mit dem Kamm gefunden habe:

ISLAND

TIROL

FRANKREICH

MALLORCA

PORTUGAL

RUMÄNIEN  

SLOWAKEI

TSCHECHIEN

MEXIKO


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